Ein Zuhause, aber keines wo man bleiben will.
Die vorletzte Woche liegt hinter uns und wir dürfen dankbar auf verschiedene Aufgaben blicken, an denen wir Freude haben. Wir haben immer wieder die Momente der Stille genossen, auf dem Berg bei Sonnenaufgang oder in unserer Stillen Zeit bei uns daheim. Es tut gut immer wieder vor Jesus zu kommen, um sich mit seiner Kraft füllen zu lassen. Die ersten Verabschiedungen liegen schon hinter uns und die Aufgaben werden immer vertrauter.
In unserem Blog haben wir schon oft geschrieben, dass wir ins Camp fahren. Wir wollen euch ein paar Fakten mitgeben, um es sich das Camp besser vorstellen zu können aber auch zu teilen, wie wir das Leben dort wahrnehmen. Mittlerweile fahren wir immer auf dem Boda Boda durch die Straßen, während wir zu Beginn unseres Aufenthaltes (bei der Jugendleiterschulung) wie die Sardinien im Auto gesessen sind. Wir haben sozusagen das Camp hinter getönten Autoscheiben kennen gelernt, jetzt sind wir aber immer mittendrin. Wo wir am Anfang nur die Hauptstraßen gesehen haben da landen wir jetzt schon fast im Vorgarten mancher Familien, wenn einem Fahrer der Weg doch unbekannter war als er sich eingestehen wollte und aus dieser Sicht wollen wir euch etwas erzählen. Eine Fahrt auf dem Boda Boda im Camp ist immer ein Abenteuer, welches wir auch immer mehr genießen.
Aber wie kann man sich dieses Flüchtlingscamp vorstellen?
Auf jeden Fall groß, bunt und staubig. Im Jahr 1992 wurde es von den Vereinigten Nationen errichtet um die sogenannten „Lost Boys“ aus dem Sudan aufzunehmen. Als „Lost Boys of Sudan“ wird eine Gruppe von über 20.000 Kindern bezeichnet, die vor dem zweiten Bürgerkrieg im Südsudan (1983–2005) von ihren Familien getrennt geflohen sind. Die meisten von ihnen waren Jungen im Alter von 7–17 Jahren. Einige von ihnen sind auch im Camp geblieben, für andere ging die Reise weiter. Das Camp ist seitdem weiter gewachsen auf über 264.000 Flüchtlinge. Größentechnisch hat es sich ebenfalls verändert, so dehnte es sich aus auf 14 Quadratkilometer. Es ist über die Jahre so groß geworden, dass ein Nachbarlager errichtet wurde. 3,5 km weiter liegt Kalobeyei – der Ort ist so angelegt, dass die Bewohner mehr mit den Einheimischen Kontakt haben und auch eher der Fokus darauf liegt im Camp zu bleiben, zumindest aus Sicht der Hilfsorganisationen. Generell ist es aber eher ein spannungsreiches Zusammenleben der Flüchtlinge und der hier lebenden Turkana. Durch das große Camp ist viel der Weidefläche der Nomadenhirten verloren gegangen. Anderseits können sie auch nur durch das Lager verschiedenen Handel betreiben. Die Frauen stellen Holzkohle her oder Ketten und diese verkaufen sie auch da. Leider haben wir festgestellt, dass die Menschen um uns herum im Dorf in ärmlicheren Verhältnissen leben als die im Camp, zumindest auf den ersten Blick.
Über die Jahre hat sich das Flüchtlingslager Kakuma auch mehr zu einer Stadt entwickelt. Es ist in vier große Areale eingeteilt, jedes davon noch in verschiedene Blocks. Camp 1 liegt von uns 12 km entfernt und bei Camp 3 sind es 17km. Für den Fahrweg wird eine Zeit von 25-40 Minuten eingerechnet. Für Plätze und Straßen wurden auch Namen vergeben, aber natürlich nicht wie wir es gewohnt sind.
Als es am Anfang hieß wir sollen nach Hongkong fahren waren wir reichlich verwirrt, aber nach einer kurzen Frage ließ sich ein passender Platz dazu im Camp finden, auch von Melbourne oder New York ist manchmal die Rede. Eine andere Möglichkeit um sich zu orientieren sind die Märkte, da diese nach den Nationalitäten benannt sind.
Im Camp wohnen mittlerweile Flüchtlinge aus ganz verschiedenen Ländern Somaliea, Äthiopien, Kongo, Burundi und noch viele mehr. Mit Kalobeyei sind es insgesamt 22 verschiedene Nationalitäten.
Wenn man durch die verschiedenen Straßen fährt, kommt man ganz automatisch an vielen Märkten vorbei. Diese sind nach den Leuten benannt die dort verkaufen. Wir fahren oft über den Kongo-, Somali-, Äthopien- und Burundimarkt. Viele Dinge werden an jeder Ecke verkauft, wie zum Beispiel allgemeine Lebensmittel, Obst, Kuchen und Tabak, Kleidung oder Haushaltsdinge. Aber wenn man sich etwas erkundigt dann erfährt man auch von den besonderen Sachen wie Kokosnüssen, Kamelmilch oder ungerösteten Kaffee, an dem wir uns oft erfreut haben. Es gibt aber auch noch andere Geschäfte wie Friseure, Möbelläden und auch die afrikanische Variante des OBIs haben wir gesehen. Diese Läden links und rechts bestehen meist aus Wellblechhütten oder die kleineren Stände aus Holzstangen. An diesen Orten ist immer etwas los. Oft stehen dort auch viele Bodafahrer oder vor dem Geschäft sitzt eine Traube an Männern. Kinder springen natürlich auch immer zwischendurch herum. Frauen sitzen am Boden und breiten auf einem Tuch ihre Ware aus. Über so einen belebten Ort fahren wir eigentlich nie ohne zu grüßen denn von irgendwoher ruft immer jemand. Manchmal hat man auch Glück und sieht ein bekanntes Gesicht von einer unserer Schulungen, dann ist die Freude immer sehr groß.
Wie sieht die Versorgung aus?
Die allermeisten der Flüchtlinge sind auf die Versorgung UN (United Nations) angewiesen. Das liegt daran, dass es den Flüchtlingen nur mit einer Sondergenehmigung gestattet ist zu arbeiten und es gibt auch nur wenige Arbeitsstellen im Auftrag der UN. 12% der Leute haben sich trotzdem mit einem Geschäft selbstständig gemacht. Viele verdienen sich aber auch etwas dazu wegen der geringen Menge an Versorgung. Die UN gibt aber auch Lebensmittel aus, die Menge ist da über all die Jahre gesunken. Die Menschen erhalten Lebensmittelkarten, für diese bekommen sie einmal im Monat eine Grundversorgung an Lebensmitteln. Diese reicht für ein bis zwei Wochen. Das ist auch der Grund, warum es in letzter Zeit öfters Proteste gab, weil die Versorgung einfach nicht ausreichend ist. Immer wieder haben wir gehört wie herausfordernd es für die Frauen ist nicht die eigenen Kinder versorgen zu können.
Ebenfalls wird die Menge an Wasser, die ihnen zur Verfügung steht, rationiert. Es wird an der Größer der Familie berechnet. Auch da ist Sparsamkeit notwendig, denn es ist nicht genug, um sorglos zu trinken, kochen, sich und Kleidung zu waschen. Es ist für die Leute an großen zentralgelegenen Pumpen zu bekommen. Wenn wir durch die Straßen fahren, sehen wir oft Fahrräder mit vielen Wasserkanistern drauf oder Kinder, die sie hinter sich herziehen, es gehört, so wie vieles hier, einfach mit zum normalen Straßenleben dazu.
Leider sieht es bei der gesundheitlichen Versorgung kaum anders aus, wieder steht es unter dem Motto „zu wenig für zu viele“. Wenn wir an einem der beiden Krankenhäuser vorbeikommen, sitzt schon eine Gruppe davor. Sie werden also in Krankenhäusern versorgt und es werden ihnen auch Workshops in diesem Bereich angeboten.
Dafür ist die Versorgung im Bereich der Bildung um einiges besser. Wenn wir am Morgen ins Camp gefahren sind haben wir die Schüler in unterschiedlich farbigen Uniformen gesehen. Das war für uns immer ein Grund zur Freude, denn es hat etwas Normalität gezeigt und diese ist hier ja selten. Auch eine Ausbildung ist im Camp möglich. Schulbildung ist für manche auch ein Grund hierher zu kommen, denn zum Beispiel gibt es nicht so viele Schulen im Südsudan.
Wie wohnen die Menschen?
Auf jeder Bodafahrt genießen wir es sehr so viel von der Lebens- und Wohnweise zu sehen. Denn keine der Ecken sieht gleich zu einer anderen aus. Die verschiedenen Nationalitäten wohnen beieinander, aber es liegt auch daran, wann die Menschen dorthin gezogen sind. Zum Beispiel sieht das Camp 1 ganz anders aus. Hier gibt es hohe Bäume und auch die einzelnen Grundstücke sind recht groß im Gegensatz zu den anderen. Ein großes Grundstück kostet da 1000$, sie bekommen zwar jeder einen Ort zum bauen aber mit der Zeit wird damit auch gehandelt. Auch aus welchen Materialien die Häuser gebaut sind ist unterschiedlich. Viele sind aus Lehm gebaut oder aus Wellblech, welches auch teilweise gestohlen wird. Es ist selten, dass ein Haus allein für sich steht, sondern öfters stehen da mehrere Häuser zusammen auf einem Stück Land. In einzelnen Compounds sind sogar kleine Gärten angelegt oder ab und zu sieht man Blumen, wenn man von der Straße reinschaut. Das Leben findet hier zum größten Teil draußen statt, man sieht oft von weitem die Wäsche trocknen und gekocht wird da auch.
Dem Wetter sind sie durch diese Bau- und Lebensweise sehr ausgesetzt. Wenn es bei unseren Schulungen geregnet hat kamen oft weniger weil die Teilnehmer sich im ihr Haus kümmern mussten oder weil die üblichen Wege nicht mehr passierbar waren. Teilweise konnten wir selber nicht zum Gottesdienst kommen, weil die Straßen zu überflutet waren. Dadurch sind dann auch Camp eins und drei voneinander getrennt.
Wir erfreuen uns immer wieder auf unseren Wegen wie viele Kirchen es hier gibt. Am Sonntag hört man es aus vielen Ecken singen oder man erkennt die großen Poster mit Bibelversen an den Straßenrändern.
In den acht Wochen, in denen wir manche Dinge immer wieder im Camp sehen sind sie einfach normal geworden. Zum Beispiel das da immer mal wo ein Haufen Müll brennt oder einem Menschen entgegen kommen die man nur als „Legend“ bezeichnen kann. Sie sind meistens besonders gekleidet (Militäroutfit), sind mit ihren Geschichten und dem, was sie sich vorgenommen haben etwas aufdringlich und eher selten weiß man in welcher Welt sie sich befinden. Wir erleben aber viel mehr nettes Grüßen oder Zurufen und wirklich selten, dass da Menschen unangenehm werden.
Rund um kann man sagen, dass uns das Camp über all die Zeit vertraut geworden ist, denn wir genießen die Fahrten. Sogar im Busch weiß man wo die „Buschpolizei“ steht und von den Einheimischen 50 KSH (Keniaschilling) verlangt oder wo man schon fast mit einer Kamelherde rechnen kann.
So vieles ist über die Zeit vertraut geworden und jetzt ist es schon an der Zeit sich wieder zu verabschieden.
Danke:
- für die Möglichkeit Schulprogramm zu machen
- Ermutigung für uns durch Glaubensgeschwistern
- herzliche Begegnungen in der Kirche, im Camp und in der Nachbarschaft
- gemeinsame Zeit als Team (Wanderung auf einen nahegelegenen Berg)
- Gesundheit
- allein und gemeinsam im Glauben wachsen
Bitte:
- Joshis (heute, 26.06.) und unsere Heimreise (Sa)
- gutes Abschiednehmen
- Carls Zeit nach unserer Abreise
- gutes Abschließen des Missionseinsatzes in Österreich
- gutes Ankommen in Deutschland
- dass die Dinge, die gestartet werden konnten, weitergeführt werden